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Über Irrwege, Staudämme, Wüsten und Erschöpfung

Im März werden es jetzt drei Jahre, dass ich eine Therapie mache. Drei Jahre und ich bin vielleicht irgendwo in der Mitte angekommen….Was für Aussichten.

 

Wenn mir das jemand am Anfang gesagt hätte, hätte ich dann den Mut gehabt den Weg einzuschlagen? Wahrscheinlich nicht. Dennoch bin ich heute froh darum, auch wenn es immer mal wieder sehr anstrengend wird und nahezu unaushaltbar. Es bewirkt dennoch viel.

 

Einmal auf den Weg gemacht, hat man irgendwann keine Wahl mehr. Therapie ist eine Einbahnstraße: Ein Zurück zu dem was vorher war, gibt es nicht. Ja, das klingt doof, hat aber seine guten Seiten. Veränderung im Idealfall Weiterentwicklung.

 

Leider kommt esmanchmal vor, dass man nicht mehr weiß, wo es langgeht. Dass man sich "verirrt". Dann ist es sehr wertvoll wenigstens einen Begleiter oder Begleiterin an der Seite zu haben, der wieder in die richtige Richtung stubst, oder vielleicht auch nur Perspektiven aufzeigt. Ich bin allen meine therapeutischen Begleitern sehr dankbar, dass sie das immer und immer wieder unermütlich und in Geduld tun.

Und dann kommt noch dazu, dass Therapie anstrengend ist. Jeder therapeutische Prozess bringt Veränderung mit sich. Veränderung ist mühsam, tut manchmal weh. Es müssen Entscheidungen getroffen werden. Das macht manchmal Angst. Aber gar keine Entscheidung ist schlimmer als irgendeine. Wenn man im Chaos steckt, mitten in der Therapie, ist verweilen eher ungesund. Aufreibend, kräftezehrend.

 

Warum schreibe ich das gerade jetzt? Wie unschwer zu erkennen war, ist eine längere Pause im Blog entstanden, denn wir mussten eine Auszeit in der Klinik nehmen. Zu viel war in Bewegung gesetzt und Entscheidungen wurde nicht getroffen. Das Ergebnis war Überforderung.

 

Wenn man Viele ist, müssen die Vielen auch koordiniert werden. Aus Angst falsche Entscheidungen zu treffen und im Zweifel zu zerstören, was wir alles haben, haben wir versucht innere Konflikte auszusitzen. Keine gute Idee.

Am Ende waren wir so erschöpft von der permanenten Regulation aller mit den Konflikten aufkommender Emotionen, dass wir nicht wussten, wo uns der Kopf steht.

Dazu kam, dass neue Strukturen im Inneren aufgetaucht sind. Etwas, was wir für unmöglich gehalten haben, dass es noch mal passiert, aber man lernt nicht aus. Aus Nichtakzeptanz haben wir dann das was aufkam zwangsläufig ignoriert. Auch keine gute Idee.

Das schlimme ist, das wissen wir eigentlich ganz genau. Aber auch wir sind eben menschlich. Immer mal wieder haben wir einfach keine Lust auf das alles zu hören und zu reagieren auf das was da im Inneren ist. Macnhmal reicht das Außen schon, das normale Leben und das Innen gerät ins Hintertreffen.

Das Ergebnis war, viele Anteile haben quasi ihre Beschwerden eingereicht und der Aktenstapel, der ignoriert wurde, wurde immer größer.

 

Ich habe in der Klink das innere Bild gezeichnet, um auszudrücken, wie es sich gerade anfühlt, dass ich mir vorkomme wie ein Wächter von einem Staudammpark, der schon bessere Zeiten gesehen hat. Ich haste, wenn ich glück habe mit einem Fahrrad, im Zweifel zu Fuß, von Staudamm zu Staudamm, manche so groß wie der Houverdamm, andere auch etwas kleiner, und versuche die Risse und Schäden, die sich in ihnen bilden, zu kitten so gut es eben geht. Gleichzeitig versuch ich den inneren Druck, der hinter diesen Staudämmen herrscht und die die Mauern bröckeln lassen etwas zu verringern. Aber ich habe das Gefühl, dass wenn ich dazu kommen, es gerade mal reicht einen Eimer abzuschöpfen, was eine marginale Wirkung hat.

 

Aber was ist die Lösung?

 

Wenn ich Staudammwächter träume auf der Suche nach der Lösung, dann träume ich, dass ich in einer Wüste stehe. Es ist dunkel und bedrohlich dort und da ich mitten drinstehe, weiß ich nicht in welche Richtung ich gehen muss um wieder aus der Wüste raus zu kommen. Also habe ich mich notgedrungen eingerichtet, um abzuwarten, wie und wo es weitergehen muss.

 

Manchmal sind es ganz einfache Sätze, die einen Wachrütteln. "In der Wüste richtet man sich nicht ein." Ein simple Feststellung einer Therapeutin. Ja, ist wahr. In der Wüste bleiben ist keine Lösung.

Die Lösung: Weitergehen. Zumindest die Bereitschaft finden weitergehen zu wollen.

 

Also ran an den Aktenstapel. Beschwerden lesen, Anträge prüfen, Hilferufe beantworten und demokratisch, wo angebracht, Entscheidungen treffen. So werden die Staudämme wieder beherrschbarer.

Dazu brauche ich leider regelmäßig Auszeiten, denn neben dem Alltag geht das in der Intensität, wie es oft nötig ist nicht. Außerdem ist es oft sehr hilfreich eine oder zwei Berater und Mitsortierer im Außen bei sich zu haben, die sich zu unseren Problemen austauschen und die einem ganz andere Perspektiven bieten können. Dinge sichtbar machen, die vielleicht in der Not und Überforderung ungesehen bleiben.

 

Ich bin unfassbar dankbar, dass ich nach einem Jahr ohne Klinikaufenthalt mich für ein paar Wochen dort "verkriechen" konnte, weg von den vielen Dingen im Außen und meinen inneren Aktenstapel bearbeiten durfte. Noch dazu mit wertvoller Begleitung. Viel ist passiert. Sehr viel, als wir den Mut zum Weitergehen und zu Entscheidungen gefunden haben. Wieder haben wir uns verändert. Die Dämme sind gesichert, der Weg abgesteckt, die Arbeitsaufträge klar. Anteile habe zu besserer Zusammenarbeit gefunden. Wir sind wieder bereit konsequent weiter zu gehen.

 

Welcome Back!

 

Ela+

 

 

 

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