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Über Selbstfürsorge und eine Reise in die Vergangenheit

 In den letzten Tagen habe ich eine Tour der Erinnerung gemacht. Ich bin unter andere in den Fluren gewandelt, die im letzten Jahr für einige Monate mein Zuhause waren und habe viele Menschen wiedergetroffen, denen ich in dieser Zeit begegnet bin. Es war wunderbar, toll, bereichernd, berührend und wie immer war es, wie so oft im Leben, der genau richtige Zeitpunkt. Ich hätte es nicht besser planen können, wenn ich es denn getan hätte. Erst ein paar Tage vorher war ich mir sicher, dass es gut und richtig ist es zu tun. Ich konnte erst wieder in die Vergangenheit gehen, als ich sicher da angekommen war, wo ich jetzt bin. Auf dem nächsten Teilstück des Weges, der vor mir liegt.

 

Meine nächste Aufgabe auf meinem Weg heißt, als "Wir" handlungsfähig zu werden. Nicht nur einem Anteil Vorzug zu geben. Und um das erreichen zu können, muss ich auch die nötigen Ressourcen zugestehen. Das bedeutete den Job wieder auf zu geben.

 

Wenn ich auf einem neuen Teilstück bin, dann ist es tatsächlich immer sehr wertvoll auch in der Vergangenheit zu wandeln. Sich zu erlauben zu sehen, was geschafft ist und mit Beteiligten Erinnerungen aufleben lasse. Momente wieder wachzurufe, die viel bedeutet haben. Es mit Menschen zu tun, die einen auf diesem Teilstück begleitet haben, macht es noch ein Stückchen wertvoller.

 

Ich für mich habe durch diesen Besuch in meiner Vergangenheit etwas ganz neues, wertvolles gelernt. Ich dachte, dass ich in den letzten Wochen in eine Sackgasse gelaufen bin oder mit ich Kreis bewegt habe. Dass es ein Fehler war, wieder in den Job einzusteigen. Aber das ist nicht richtig.

 

Ja, ich habe einen Kreis beschreiben, aber es ist kein zweidimensionaler Kreis, den ich entlanglaufe. Es ist die Rundung einer Spirale gewesen, die sich wie ein Kreis angefühlt hat. Ich bin ein Stück Weg gegangen, der dem vom letzten Jahr ähnelt. Arbeiten und dann den Job aufgeben müssen. Das ist der Grund, warum es sich vielleicht wie eine Wiederholung von etwas Bekanntem und falsch angefühlt hat. Eine bekannte Biegung aber dennoch auch ganz anders ist. Anders, weil diese Kurve auf einem ganz anderen Leven der Selbstwahrnehmung beschritten worden ist. Quasi eine Etage tiefer auf der Spirale. Oder vielleicht höher? Letztendlich egal.

 

Letztes Jahr im Sommer stand ich an dem Punkt, dass ich, als letzter Teil bereit war zu sehen, das ich alleine nur eine Teilrealität bin. Ich habe zugelassen, dass Raum und Zeit dafür geschaffen wurde, aber ich habe es als Fremdbestimmt erlebt. Es hat die Iteration derselben Erfahrung gebraucht, um jetzt bereit und in der Lage zu sein dem "Wir" Wert einzuräumen und wahrscheinlich das erste Mal in unserem Leben, Wir-Bestimmt zu handeln. Nur durch das Einräumen von dem Wir-Wert, konnte ich anfangen es auch als selbstbestimmt zu empfinden. Dieses Mal war es eine echte gemeinsame Entscheidung und Wir-fürsorgen. Für viele Leser muss es Selbstwert und Selbstfürsorge heißen, aber das Prinzip ist das selbe.

 

Meine Erkenntnis: Selbstführsoge ist eben nicht nur mal eine Massage oder ein Schaumbad, ein gutes Essen oder ein Stück Schokolade als Belohnung. Das sind kleine Pflaster um weiter "durchhalten" zu können. Selbstfürsorge ist es zuzulassen, dass man wirklich spürt, wenn etwas nicht so läuft wie es sein sollte und dann auch danach zu Handeln und es passend zu machen. Bei uns ist es eben Wir-fürsorge.

 

In den Gesprächen, die ich mit meinen ehemaligen Therapiekolleginnen und Kollegen führen konnte habe ich festgestellt, dass es sehr viele Menschen gibt, die sehr deutlich spüren, dass etwas nicht so ist, wie es gut und richtig für sie wäre, aber sie kommen nicht ins Handeln, in die echte Selbstführsorge. Ich habe gerade den Selbstwert genannt als letzte Stufe, vor der Fähigkeit zur Fürsorge. Aber was hat zum Selbstwert geführt?

 

Wenn ich die Stufen aufschreibe, die mich bis zur neuen Dimension des selbstfürsorglichen Handelns geführt haben, dann muss ich bei der Selbstwahrnehmung anfangen. Vor zwei Jahren hatte ich weder in der emotionalen, noch der körperlichen Wahrnehmung Zugang zu meinem Selbst. Ich habe also mit der Selbstwahrnehmung angefangen.

Die nächste Stufe war, durch die Fähigkeit mich selbst wahrnehmen zu können, das Erkennen meines Selbst. Ich bin mir selbst, respektive in meinem Fall uns, bewusst geworden. Ich habe Selbstbewusstsein gewonnen.

Ich konnte sehr schlecht glauben und annehmen, was ich gefunden habe. Das war in erster Linie ganz viel "Müll" den ich gesehen habe. Zumindest habe ich es so bewertet. Heißt, sich seines Selbst bewusst zu sein, heißt noch lange nicht auch Selbstwert zu entwickeln.

Ich habe mich sehr lange als dysfunktionalen Blog gesehen. Interessanter Weise war es vor allem die Therapiezeit in der Klinik und der Kontakt zu anderen mit „Müll“, die mir beigebracht hat, dass auch mein vermeintlicher "Müll" o.k. ist. Ich habe irgendwann festgestellt: Allen diesen anderen Menschen kann ich mit Mitgefühl, Wertschätzung und ja, vielen auch mit Zuneigung begegnen, nur mir selbst nicht. Das ist schlicht weg dumm. Naja, sagen wir mal sehr kurzsichtig? Das richtige Wort wäre wahrscheinlich eher „kurzwertig“?

Durch das Lernen über uns, darüber warum wir ein Wir sind und dass das nicht unsere Schuld ist, ist mit dem Erkennen auch eine neue Bewertung entstanden und letztendlich auch eine Akzeptanz. Unseres Seins und der dazugehörigen Lebensgeschichte. Der Schritt der Selbstakzeptanz. Soweit bin ich in der Klinik gekommen.

 

Das es noch an Selbstwert scheitert, das ich noch "kurzwertig" bin, das habe ich deutlich gemerkt. Es war immer Leitung, Anerkennung durch Andere, mit der ich kompensiert habe. Deswegen habe ich denke ich so sehr auf den Wiedereinstieg gedrängt. Nach dem ganzen "Müll" wollte ich wieder "Wert" spüren.

 

Interessanter Weise ist es tatsächlich der Wiedereinstieg in den Job gewesen und die paar Monate, in ihm und die Beschäftigung mit meinen Aufgaben, was mir den letzten Schubs zum Selbstwert gegeben haben. Aber ganz anders als ich erwartet habe.

Es war der Job, der mich hat verstehen lassen, dass mein Sein, dadurch, dass ich permanent uns als Team manage, intern kommuniziere, vermittle, Konflikte schlichte, zu einem Experten genau in diesem Bereich geworden bin. Das sind Kompetenzen, die ich nach und nach auch als Projektmanager und Führungskraft eingesetzt habe und nun sogar als Trainer und Coach anderen weitervermittle darf.

 

Diesen Job den ich so liebe und mit Leidenschaft lebe, konnte ich für mich nur so finden, weil ich zum Experten werden musste. „Trotz allem“ wurde zu „genau deswegen“.

 

Ich habe das erste Mal in meinem Leben geschafft, nicht mir im Außen Wert von anderen einräumen zu lassen, sondern mir selbst, als ein Teil von vielen, Wert einzuräumen. Und so wie mir auch jedem einzelnen, der oder die da ist, mit alle dem was sie jeweils mitbringen. Allen ihren jeweiligen Wert zuzugestehen. Gleichermaßen. Ich bin nicht der Anteil mit Wert und der Rest muss sich unterordnen.

Ich bin genauso wie ich bin, weil jeder von uns genauso wie er oder sie ist. Weil wir das sind was wir sind. Der Wert ist die Summe unserer Teile. Punkt. Alle zusammen haben uns dahin gebracht wo wir heute sind. Nur war mir das nicht wirklich bewusst. Erst diese Erkenntnis und die sofortige positive Wirkung, die es auf das System hatte, hat uns als Team handlungsfähig gemacht und  für uns zu sorgen.

 

Das ist letztendlich der innere Kompass, den ich gelernt habe zu fühlen, denke ich. Es ist der Wiederspruch anderer Anteile den ich wahrnehme, wenn Anteile sich dagegen wehren, ignoriert oder abgewertet zu werden. Diesmal haben sie mich korrigiert, als ich den Selbstwert wieder allein in der Welt da draußen gesucht habe. Als ich auf dem Holzweg war zu finden, dass alles in uns eben Wert hat.  Ich wurde wieder daran erinnert, dass es im Moment wichtig ist für uns ist, in der Art für uns zu sorgen, dass ich nicht nur damit zufrieden sein darf, zu wissen was da ist, sondern den eingeschlagenen Weg nun weiter zu gehen muss, ein bestmögliches, belastbares handlungsfähiges Wir zu finden, zusammen mit den "Anderen". Für alle von uns!

 

Dann und nur dann werden wir schlussendlich genau das tun können, was wir so lieben. Den Job, den wir gefunden haben für uns. Auch wenn ich ihn nicht in einen Begriff fassen kann. Vielleicht, weil es eben nicht ein Job ist, sondern vielleicht eher unsere Funktion oder Aufgabe? Analytiker, Systemerkenner, Engpassfinder, Kommunikator, Integrator, Wissensvermittler, Lösungsfindungsbegleiter….

 

Im Moment ist es noch zu viel, wird am Ende wahrscheinlich aber ganz einfach zu erfüllen sein. Unvorstellbar aktuell. Aber vor einer Weile war es auch unvorstellbar, dass wir uns als wertvoll betrachten….

 

Und das sollte doch die wichtigste Selbst-Erkenntnis aus den letzten rund zwei Jahren sein. Jeder Schritt zum Selbst hat sich gelohnt. Jedes Überwinden der Angst vor dem nächsten Schritt wurde belohnt.

 

Innere Veränderung oder inneres Wachstum gelingt aus meiner Sicht dann, wenn man diese Selbst-Sensorik entwickelt und auch nutzt. Wenn die Suche nach Problemlösern, das Festhalten an der bekannten aber lähmende Angst und das kleben von vorübergehenden Pflastern aufgegeben wird und durch echte, für sich selbst verantwortliches, sorgendes Handeln ersetzt wird. Das führt dann zwangsläufig in die richtige Richtung, wenn man wirklich auf den inneren Kompass sie Selbst-Sensorik hört. Das ist oft sehr schwer! Aber es lohnt sich!

 

Ich bin gespannt welches Selbst ich in zwei Jahren beschreiben werden!

 

Ela+

 

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