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Über ein Doppelleben und Angst

Seit ein paar Wochen mache ich jetzt wieder den Spagat zwischen vollzeit Arbeit und Therapie. Einfach weil ich beides will. Noch ist mein Dickkopf groß genug, dass ich beides 100% will.

 

Ich sehe gerade noch nicht ein, warum ich auf z.B.  80% im Job runtergehen soll, nur weil ich Therapie mache. Ich liebe meinen Job und ich habe einfach keine Lust, dass ich der Tatsache, dass ich Therapie mache, was ich ja auch nur bedingt freiwillig mache, auf 20% meines Gehaltes und vor allem 20% meines Bonus (der 20% meines gesamten Gehaltes ausmacht) verzichten soll. Ich liebe meinen Job und ich schaffen es einfach noch nicht loszulassen von dem Gedanken, ihn noch weiter ins "off" zu stellen, als ich so oder so schon mache. Im Vergleich zumindest zu meiner Welt noch vor einem Jahr.

 

Ich nehme mir gerade meine letzte Sucht. Dass ich ein Workaholic bin, der seine Gefühle, Ängste und auch gerne alle nicht an der Arbeit beteiligen Anteile zum Schweigen gebracht hat…Ja, soweit reicht die Erkenntnis. Das darf ich nicht (mehr)! Und ja, es ist absolut irrational, dass sich gleich andere Ersatz-Süchte melden. Ist aber Tatsache.

 

Vielleicht ist es auch gerade das, was mich jetzt all die Emotionen, die die Therapie hochspült, viel mehr spüren lässt als früher. Ich betäube nicht mehr. Und ja, wir sind auch in der Integration viel weiter gekommen im letzten Jahr, was mich mehr mitfühlen läasst. Das ist alles gut, aber für meine "Doppelleben" aus Arbeit und Therapie gerade eher nicht zuträglich.

 

Ich kann mich im Moment schwer konzentrieren. Es kostet viel Kraft es zu tun. Ich bin angespannt. Mein ganzer Körper fühlt sich an wie ein unbewegliches Brett. Jeder kennt vielleicht das Empfinden in der Wade, kurz vor einem Wadenkrampf? So fühlt sich mein ganzer Körper an. Seit zwei Tagen und ich werde es einfach nicht los. Die Folge, Muskelverspannungen, Zittern, kribbeln in den großen Muskelgruppen. Verspannungen vor allem im Rücken und den Schultern. In der Kaumuskulatur, weil ich mich immer wieder zur Ordnung rufen muss, nicht weiter die Zähne zusammenzubeißen. Das alles macht Kopfschmerzen. Meine Unterarmmuskeln sind permanent, latent angespannt, sodass ich mich ständig vertippe. Die Finger wollen nicht, wie ich es gewohnt bin. Klavier zu spielen, war heute ein Graus…

 

Das alles wäre ja noch irgendwie machbar. Den Körper kann ich noch ganz gut ignorieren. Die Tatsache aber, dass ich innerhalb einer Woche von gleich zwei mir recht unbekannte Personen im Rahmen meines Arbeitslebens angesprochen wurde, ob es mir gut geht, zeigt, dass ich phasenweise, auch für Personen im Außen spürbar, nicht vollständig "da" bin. Etwas was ich, zumindest in der Arbeitshälfte meines Lebens, bisher habe verhindern können. Das ist, fürchte ich, auch eine Nebenwirkung des Mehr an Integration. Mein Doppelleben wird immer weniger Doppelleben. Ja, das ist schön. Aber der Gedanke, im und durch den Prozess des Zusammenwachsens nicht so leistungsfähig zu sein oder gar nie mehr zu sein, macht Angst.

 

Und da sind wir denke ich bei dem zentralen Thema, das mir gerade so viel Problemen bereitet. Angst. Lange habe ich sie nicht mehr so intensiv wahrgenommen, aber jetzt ist sie permanent da. Manchmal bis zum Rand der Panik. Sie ist da und weil ich sie ignoriere, im Alltag ignorieren muss, will sie nicht weichen. Und ich kann sie auch nicht lösen. Ich weiß gerade einfach nicht wie, wo und wann ich ihr Raum geben kann, respektive dem Anteil, der sie mich spüren lässt. Mein Unvermögen als Person im Außen.

 

Seit meiner letzten Therapiestunde, die mich hat einiges sagen lassen, was ich zuvor nie gesagt habe, geht das so mit der Angst. Das kennen ich auch schon aus der Klinik. Das war die Reaktion meines Innenlebens, als da das erste Mal ein paar Tatsachen meinen Mund verlassen haben, die vorher ein streng gehütetes Geheimnis waren. Ich hatte irgendwie angenommen, dass ich Angst und Verfolgungswahn hinter mir gelassen habe, weil ich da einmal habe üben können und erkennen konnte, dass nichts (mehr) passiert. Dass nur mein Inneres mich selbst verfolgt.

Offensichtlich eine große Naivität. Die U-Bahnfahrt gestern, der ich mich stellen musste, war ein Graus. Überall habe ich die Blicke als beobachtend wahrgenommen. Der Fluchtimpuls war da, wurde unterstrückt. Nicht auffallen! "Einfrieren" ist die Folge. War kurz fast "weg". Ich habe den Ausstieg aber nicht verpasst. War aber bis ins erste Meeting nicht ganz da.

 

Teile in mir haben einfach immer noch Angst was folgen mag, wenn man spricht. Einmal zu erleben, dass nichts passiert, das reicht wohl nicht zur Sicherheit.

 

Interessanter Weise ist auch meine "Kehle" zu. Ich habe Seit ein paar Tagen das Gefühl, dass sie eng ist, sich zusammenzieht. Ich schlucke und spreche gegen einen Wiederstand. Ergebnis: Ich bin heiser. Fühlt sich ein bisschen an wie eine Kehlkopfentzündung.

Ich weiß nicht, ob ich mich freue, dass mein Körper, nun da ich ihn wieder mehr bewohne, auch gleich noch mitreagiert. Ja, auch da bin ich auf dem richtigen Weg scheint es. Aber die Tatsache, alles auch körperlich zu erleben, macht wenigstens Sorge wenn auch noch nicht Angst.

 

Ich weiß, dass ich sicher bin, dass ich endlich sprechen darf, aber es scheint, nicht alle von uns wissen oder verstehen das. Was mache ich mit dem Teil, der Panik hat? Ich kann ihn gerade nicht zulassen. Zu groß ist meine Angst vor dem Kontrollverlust, der folgen mag. Ich sage ihm, ich fühle dich und ich verstehe dich. Aber du bist sicher, glaub mir! Vertrau mir! Und bitte, lass uns das Leben im Hier und Jetzt nicht vergessen. Unser gutes Leben. Auch das will gelebt werden!

 

Ich habe es wahrscheinlich bisher einfach nur falsch verstanden, meine Doppelleben. Es heißt nicht Therapie und Arbeit, sondern Vergangenheit und Gegenwart. Schön. Daran arbeite ich, das zusammenzubringen.

 

Hoffen wir nur, dass der Kollateralschaden am Hier und Jetzt nicht zu groß sein wird…..Ja, das macht mir Angst.

 

Ela+

 

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