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Über Perspektivwechsel und inneres Coaching

Ich habe die Letzen Tage an einem Text gearbeitet. Ich habe ja auch wirklich schon lange nichts mehr von mir hören lassen. Was aber auch einfach daran liegt, dass ich wieder Vollzeit arbeite. Das finde ich auch sehr schön, aber es bleibt deutlich weniger Zeit „übrig“. Vielleicht liegt es auch daran, dass bei dem anderen Text es gerade nicht fließen will. Also lasse ich jetzt ein paar Minuten meine Gedanken fließen und lass mich selbst überraschen, was gerade "raus" will.

 

Ich merke, wie sich nach meinem Wiedereinstieg die Themen, die ich bearbeite, verschoben haben. Im Moment scheinen mir die Themen Vielfalt, Kommunikation, Führung und Coaching wichtig zu sein. Ich habe zu diesen Themen in den letzten Tagen und Wochen mehrfach Stellung bezogen, Konzepte entwickelt und meine Meinung "Kund getan". Das spannende ist, ich fühle mich in diesen Themen sehr sicher.

 

 Ich habe mich gefragt, warum ist das so und wo kommt das alles her. Was ich als Antwort gefunden haben, ist vielleicht etwas platt daher gesagt, aber diese Kompetenzen musste ich in den letzten zwei Jahren intensiv entwickeln, weil ich anfangen musste als "Wir" zu funktionieren.

 

Was ich täglich tue ist, eine Horde von unterschiedlichen "Persönlichkeiten" zusammen zu halten, oft in dem Maß, dass ich dafür sorgen muss, dass sie sich nicht die Köpfe einschlagen. Dabei habe ich eine Bandbreite zu regulieren, die von depressiv über aggressiv zu konstruktiv reicht. Mein Innenleben ist sehr vielfältig in "Selbstwahrnehmung", Werten, Meinungen und zum Teil auch Zielen. Selbst zu dem Thema sexuelle Orientierung besteht keine Einigkeit. Es geht eben Risse durch die Identität. Was ich in mir trage ist ein Team, das ich unweigerlich zu führen habe, besser ist das, um nicht im Chaos zu versinken und ich kann mir auch nur bedingt eine Auszeit nehmen. Ich möchte nicht weiter erleben, dass sich jemand aus dem Trupp verselbständigt.

 

Ich habe am Anfang dieser Woche an einem spannenden Seminar Teilhaben dürfen, in dessen Rahmen mir auch wieder das Drama Dreieck ins Bewusstsein gerufen wurde. Es ist ein Dreieck von Rollen (Ofer, Retter und Verfolger) in dem sich Menschen oft befinden in ihrem Miteinander und oft recht lange und nicht selten sehr emotional, zwischenmenschliches Ping-Pong spielen und nicht schaffen aus zu steigen.

 

Ist man beteiligt, ist es oft nicht einfach auf die Metaebene zu kommen und das "Spiel" zu erkennen. Ich fand es bemerkenswert, dass der Trainer ausgerechnet das Wort Dissoziation benutzt hat. „Ihr müsst eine dissoziative Perspektive einnehmen, Euch von dem was passiert dissoziieren, um das große Ganze zu sehen, um dann, durch unterschiedliche Maßnahmen das Drama auflösen zu können.“

 

Ja, was soll ich sagen. Kenn ich! Mache ich permanent! Es gibt einen Teil, der absolut immer diese analytische Außenposition einnimmt, damit wenigstens ein Anteil nicht im inneren Ping-Pong verhaftet ist und regulieren kann.

Aber genauso ist es. Mein Therapieweg sieht sehr stark so aus, dass ich ein "Drama" beobachte, analysiere und herausarbeite, was passiert da? Was sind die Meinungen? Was ist der Konflikt? Und dann überlege ich mir, wie kann ich "eingreifen" um diesen Konflikt zu regulieren oder im optimalen Fall, wie kann ich die Beteiligten dazu bringen, diesen Konflikt beizulegen.

 

Meine inneren Anteile funktionieren dabei wirklich genau wie "normale" Außenpersonen. Sie unterliegen den psychologischen Gesetzmäßigkeiten. Was auch heißt, es bringt nichts, ihnen einfach zu sagen, was sie machen sollen, also direktiv zu sein. Nein, ich muss sie coachen, sodass sie zu einer inneren Selbsterkenntnis kommen, die dann Veränderung bringen kann.

Was dem allem vorausging ist, dass diese Anteile, im Besonderen die Trauma tragenden, nicht gerade Vertrauensvoll in die Welt schauen und ich kann absolut nachvollziehen, das Coaching nur in einem Vertrauensverhältnis funktionieren kann. Es ist schon komisch zu beobachten, dass dieses Vertrauensverhältnis selbst innerpsychisch nicht automatisch gegeben ist. Zum Teil hat es sehr lange gedauert, bis Anteile zu mir, dem analytischen und coachenden Teil, vertrauen aufgebaut haben.

 

Was ich also seit einer Weile demnach tue, ist meine Anteile zu coachen. Ohne es wirklich zu merken, bin ich schon lange als Coach unterwegs und es fällt mir sehr leicht, dies auf die "Außenwelt" zu übertragen. Wie ich gelernt habe, geht Coaching, nach dem Modell der logischen Ebenen, bis maximal zu der Ebene der Werten und Glaubenssätzen. Alles andere sollte man einem Therapeuten überlassen. Passt genau zu dem Level auf dem ich mich mit meinen Anteilen bewege. In seinem Ergebnis wirkt es dann auf das nächste Level, auf die Identität.

Jetzt macht es für mich auch absolut Sinn, warum ich für die Arbeit der Trauma Bearbeitung auch externe Hilfe brauche. Um die Traumata bearbeiten zu können, muss "ich" mich zurückziehen und muss die Bühne dem jeweiligen Trauma-Träger überlassen. Ich muss mich in einem Maß zurückziehen und Raum geben, dass ich nicht mehr Co-Bewusst beides gleichzeitig "sein" kann. Coach und Coachee.

 

Es fällt mir schwer mich zurück zu ziehen und jemand anderem diese Aufgabe zu überlassen. Das ist die nagende Angst vor dem Kontrollverlust. Etwas was ich jahrelang strickt unterbunden habe. Ich kann nur hoffen und vertrauen, dass demjenigen an den ich diese Aufgabe deligiere, seine Aufgabe auch gut machen wird. Wie im echten Leben. Zur Delegation gehört Vertrauen….

 

Meine Trauma-Träger sind alles Kind Anteile. Wie passend, dass ich aktuell bei einer Kinder- und Jugendtherapeutin in Behandlung bin. Bzw. es ist mir jetzt sonnenklar, wie gerade sie zur Spezialistin für DIS werden konnte.

 

Ich habe seit heute noch einmal einen ganz anderen Blick auf das was ich schon tue und nun auch ein ganz anderes Bild von dem, was ich tun muss, wenn ich weiter auf meinem Therapieweg gehen will. Es sind meine Kind Anteile, die nun mit jemand anderem den Weg ohne mein Coaching weitergehen müssen und ich sollte den Raum dazu geben.

 

Leichter gesagt als getan…

 

 Ela+

 

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