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Über Konfrontation und ein erstes Aufheben der Spaltung

Das Verbindungsstück zwischen allen Anteilen und auch zu den Emotionen ist der Körper. Emotionen lösen körperliche Reaktionen aus. Weinen, Zittern, Erstarren und ein paar Beispiele zu benennen.

 

Ich habe lange ohne Körpergefühl gelebt und damit auch ohne viel Emotionen. Oder ist es andersherum? Egal! Ich war lange ein Prototyp Vulkanier auf jeden Fall. Ich habe durch die Therapie nach und nach wieder Emotionen zulassen zu können und damit meinen Körper auch wieder stückweise in Besitz genommen. Beides, Emotionen und Körperlichkeit, wurden wieder erfahrbar.

 

 

Das war als Voraussetzung nötig, um es dann den traumatisierten Kind-Anteilen zu ermöglichen, ihre Emotionen ausdrücken zu können. Ein wesentlicher Schritt. Aber das hat noch nicht dazu geführt, dass ich erkennen konnte, dass es nicht irgendjemand ist, der da bedürftig ist und sich ausdrückt, sondern diese bedürftigen Teile auch Ich-Anteile sind. Nicht irgendein Kind, sondern ich/wir als Kind. Kind-Anteile, die zur Seite geschoben worden war, von mir/uns selbst und täterloyal alleingelassen wurde im Inneren, in der traumatischen Situation, um das Überleben der Gesamtheit des Systems sicher zu stellen.

 

Die Erfahrung, dass es mich betrifft, meine Geschichte ist, das Überwinden der Spaltung als Schutz vor dem überwältigendem Trauma Material, wurde für mich nur über die Konfrontation mit dem Erlebten möglich. Über das Transportieren dieser Bilder in Sprache und ins Ich-Erleben.

 

Ich hatte lange überlegt, wie ich dahin komme zu erfahren, dass es mich betrifft. Ich habe letztendlich meiner Therapeutin gesagt. Jede Logik sagt mir, dass wenn ich eine Geschichte, die sich nicht wie meine anfühlt, die ich in der Vogelperspektive "beobachte", aber aus der Ich-Perspektive erzähle und mein Körper anfängt, mit doch recht heftigen "Aktionen" und unkontrolliert zu reagieren, kann ich nicht mehr leugnen, dass echte, eigene Emotionen wiedererlebt werden. Dann muss ich den Gedanken zulassen, dass das alles was mit mir zu tun hat. Das es wohl meine Geschichte ist, auch wenn sie mir in meiner jetzigen Wahrnehmung aus der Sicht einer anderen Person berichtet wird.

 

Ich habe die ersten Schritte der Konfrontation mit der Vergangenheit in der ambulanten Therapie gemacht und schnell verstanden, dass das etwas ist, das neben dem Alltag für mich kaum möglich ist. Das war der Grund, warum ich mir einen geschützten Raum gesucht habe. Ein Umfeld, in dem ich nicht funktionieren muss. Einerseits um sicher zu stellen, dass ich noch ein Leben habe, in das ich zurückkehren kann, andererseits weil ich wusste, solange ich im Alltag bin, kann ich die Abwehr kaum soweit runterfahren und das emotionale Chaos und das Wiedererleben, das unweigerlich mit der Konfrontation verknüpft ist, zulassen.

 

Es war schwer alles hinter uns zu lassen, denn unser Leben ist an so vielen Stellen so gut. Wir haben uns etwas aufgebaut um dass es sich jetzt lohnt zu kämpfen. Aber es war ein Schritt ins Dunkle und Unbekannte. Ich wusste nicht wirklich was auf mich zukommt, mit wem ich es auf therapeutischer Seite zu tun bekomme. Ich hatte keine Ahnung, ob am Ende ein Erfolg stehen würde, oder ob am Ende ein großer Abgrund uns verschlingen würde…..

 

Aber, das war der Weg, den ich aus meiner Sicht gehen musste und das habe ich getan. Ich habe die Erlebnisse, die Bilder, die ich von anderen Anteilen als erlebte Vergangenheit gezeigt bekam, versuch in der Ich-Perspektive in Worte zu fassen. Allein das was schwer. Worte zu finden. Für viele, besonders den Kind-Anteilen, fehlten einfach die Worte. Es war mühsame Simultanübersetzung im Co-Bewusstsein. 

 

Einher ging dies mit dem Überschwämmen des Körpers mit dem, was damals an Körpererfahrung und Emotion erlebt worden war. Das auf ein erträgliches Maß zu regulieren und dennoch zuzulassen, war unfassbar anstrengen. Oft waren lange Pausen dazwischen, wo sprechen einfach unmöglich war, wo es nur darum ging zu bleiben.

 

Aber so wurden endlich im Gehirn verknüpft, Bilder und Wort verknüpft. Der erste Schritt zur Verarbeitung. Diese Bilder, die "nur" in der Amygdala abgespeichert waren, wurden durch narrative Beschreibung in den Kortex zu gehoben. Und die gespeicherten Erfahrungen durften endlich ein Stückchen fließen.

 

Um das Überschwämmen nicht als Retraumatisierung zu erleben, ist das alles nur in Milimeterschritten möglich. Für mich, als eher ungeduldiger Mensch, kaum erträglich. Aber um sicher zu stellen, dass nicht wieder ein Abspalten geschieht, als automatisierte Reaktion, sondern eine erfolgreiche Integration, dürfen es nur homöopathische Dosen sein.

Ein langer Weg. Oft frustrierend langsam.

Mein Bild war, ich gehe ein paar Wochen in die Klinik, ziehe das durch und dann ist endlich gut. Mal wieder sehr naiv. Aus angedachten acht vielleicht zehn Wochen sind siebzehn geworden. Mit vier Wochen Heimaturlaub dazwischen, um Luft zu holen und eine Dosis Alltag zu erfahren. Und nein, ich bin nicht ansatzweise durch mir der Konfrontation. Es waren nur Millimeter, die aber etwas angestoßen haben, nämlich endgültige Akzeptanz!

 

Meine Therapeutin wollte mich gerne noch etwas länger da behalten in der Klinik und diesen Weg noch etwas weiter gehen. Ein Teil wollte das auch und es vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht zurück wünsche an diesen geborgenen und geschützten Ort. Ich aber habe gesagt, ich muss wieder in die reale Welt da draußen. Ich muss beides pflegen. Mein Leben jetzt und mein Therapieweg. Ich kann mich nicht über Jahre meinem guten und lebenswertem Leben entziehen. Es muss beides gehen. Irgendwie. Auch wenn ich sehr oft an meine Grenzen stoße. Es ist ein enormer Kraftaufwand, der von außen sicher nicht nachvollziehbar ist.

 

Vor mir liegt ein frustrierend langer Weg. Zehn Jahre Therapie sind in Fällen wie meinem nicht selten. Es ist mir ein Rätsel, wie ich das schaffen soll, aber wenn ich schaue wo ich herkomme und wie es mir inzwischen geht…Ich denke es ist lohnend. Aber ich habe nach diesen ersten Erfahrungen auch Angst davor, vor allem vor den Momenten der absoluten Verzweiflung, der Dunkelheit in Todesnähe… Aber genau deswegen brauch ich mein normales Leben. Es ist so voll Licht! Und dafür bin ich unendlich Dankbar.

 

Ela+

 

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