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Rückblick: Ich Patient in einer Psycho-Klinik

Der Anruf, zur Vereinbarung eines Aufnahmegesprächs in der Klinik, war unendlich schwer. Tagelang bin ich um das Telefon herumgeschlichen. Innerlich in der Diskussion. Ja, nun mach schon! Nein, auf keinen Fall! Was denkst du überhaupt. Als ich endlich anrief, riss mir die Tatsache, dass ich erst in zwei Monaten überhaupt einen solchen Aufnahmegesprächstermin bekomme konnte und dann noch mal bis zu drei Monaten vergehen könnten, bevor ich einen Platz bekommen könnte, wenn ich überhaupt „passend“ wäre, den Boden unter den Füßen weg.

 

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich es geschafft habe die nächsten Monate, dazwischen auch noch Weihnachten und Neujahr, zu überleben. Auch diese Zeit ist regelrecht ausgelöscht in meiner Erinnerung.

 

Erinnern kann ich mich noch an den Morgen, als ich mit meinem Mann aufgebrochen bin zu dem Termin. Drei Stunden Fahrt lagen vor uns und ich musste mein Portemonnaie wegen der Krankenkassenkarte und dem Personalausweis mitnehmen. Hier habe ich das erste Mal bewusst erlebt, dass verschiedene Mächte in mir gegeneinander arbeiten. Das Portemonnaie war an diesem Morgen einfach nicht auffindbar. Panisch lief ich durch die Wohnung, völlig kopflos und aufgelöst. Zerrissen zwischen dem Wunsch endlich zu dem Termin zu kommen und gleichzeitig so destruktiv und erleichtert, dass wir nicht fahren würden. Ein Teil setzte alles daran, diesen Termin zu boykottieren. Was hat wohl mein Mann gedacht, in diesem Moment? Ich weiß es nicht, ich habe ihn nie danach gefragt.

 

Ich habe einen Platz in der Klinik bekommen und habe 12 Wochen dort verbracht. Diese Zeit war für mich unfassbar hilfreich. Ich bekam Zugang zu meinem Unbewussten, meinen Unbewussten Anteilen. Ich konnte anfangen mit mir selbst in den Dialog zu treten. Einige erste, neue Erinnerungen tauchten auf und ich bekam Struktur und Stabilität. Etwas, was mir völlig abhandengekommen war. Diese zwölf Wochen haben mir Zeit gegeben damit zu beginnen meine Vergangenheit zu beleuchten. Ich habe einen allerersten Schritt getan und habe mich nicht länger selbst belogen, dass in meiner Kindheit alles gut war. Denn davon war ich überzeugt gewesen. Nichts anderes war in meinem Bewusstsein vorhanden gewesen. Jetzt sagen Stimmen und Bilder etwas anderes und es gab langsam eine Erklärung, für das was ich empfand.

 

Für mich waren diese drei Monate Wegweisend in eine neue Zukunft. Die dort erlernte Art mit mir, mit meiner inneren Welt und meinen Bilder zu arbeiten, habe ich über die Jahre ausgebaut und schließlich angefangen mich zu konfrontiert mit dem und denen, die im Verborgen lauern. Ich habe mich damals ein letzte Mal gefragt: Will ich ein Leben haben? Kann ich ein lebenswertes Leben haben, mit dem was in der Vergangenheit liegt und mich begleitet? Habe ich die Kraft dazu, alles wissend mit durchs Leben zu nehmen? Alle drei Fragen habe ich mit Ja beantwortet (aus heutiger Sicht sehr naiv in der Vorstellung dessen, was auf mich wartet und das ist wahrscheinlich auch gut so) und mich auf den Weg gemacht. Ich habe mir fest versprochen, von dem Tag an nur nach vorne zu blicken und keinen noch so kleinen Schritt rückwärts zu machen. Nun aber alles wahrzunehmen was in mir wohnt und nicht länger zu vergessen und irgendwann den Kampf aufgeben. In einem Gespräch mit einem Kollegen hat dieser zuletzt Festgestellt, dass ich ein sehr disziplinierter Mensch bin. Ja, das bin ich wohl, auch wenn ich mich selber nicht als solchen empfinde. Letztendlich habe ich gar keine Wahl.

 

Aber es war letztendlich nicht mehr als eine Bestandsaufnahme und eine Stabilisierung. Was ich damals in der Klinik gelassen habe, war meine heftige Depression und meine lähmende Angst. Zumindest weitestgehend und sie ist auch nie wieder so heftig zurückgekommen. Damit war nicht alles gut, aber das Leben ist seit damals umso viel mehr erträglich geworden.

Ich konnte und wollte nicht über das erzählen, was ich über mich und meine Vergangenheit erfahren hatte. Es war mir unmöglich, weil ich mit selbst nicht traute. In meinem Kopf war außerdem eine sehr laute Stimme, die mir sagte, Du bist krank, Du bist schlecht. Du hast eine sehr kranke Fantasie. Denn mehr ist das nicht, kranke Fantasie, für die Du Dich schämen solltest.

 

Das war der Grund, warum ich damals keine weitere Therapie gemacht habe. Auch wenn das empfohlen war. Diese Stimmen waren zu laut und ich wusste nicht wie mit ihnen umgehen......

Allerdings habe ich auch keinem davon gesagt. Einmal, weil sie für mich normal waren und vielleicht auch, weil es mir selber zu verrückt war.

 

Ela+

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