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Über den Wert gehört zu werden

Ich habe heute festgestellt, dass meine Beiträge einem roten Faden zu folgen scheinen. Erst die Frage: Warum zeigen wir uns nicht wie wir sind? Danach einen Beitrag über den Wert des Outings. Nun geht mir immer und immer wieder durch den Kopf, wie wertvoll es ist, endlich, auch nach Jahren noch, gehört zu werden......

Was wäre gewesen, wenn ich früher gehört worden wäre?
Was sorgt dafür, dass betroffenen Verstummen?
Was kann jeder Einzelne tun, um die Chance zu erhöhen, dass Betroffenen im entscheidenden Moment gehört werden?

 

Ein Teil von mir selbst wollte erst Beweise, für das, was an inneren Bildern, mich immer und immer wieder regelrecht überfällt, bevor ich darüber sprechen konnte. So groß war die Angst (wieder) als Lügnerin dargestellt zu enden. Das scheint es zu sein, was ich als Kind immer gehört habe. Dieser Gedanke, eine Lügnerin zu sein, ist so tief verwurzelt, dass ein Teil von mir daran gebetsmühlenartig festhält und damit alles dementiert, was auch da ist und das ganz System lange (erfolgreich) blockiert hat. Erfolgreicher Täterschutz, der um so sicherer wird, je heftiger und massiver die Übergriffe. Ironie, oder? Aber leider war.


Aber vielleicht geht es gar nicht darum, zu glauben, dass alles genau so wahr ist und das auch zu beweisen, sondern es geht letztendlich darum, in der Not gehört zu werden.
Wann auch immer ein Mensch, ein Kind, von schrecklichen Bildern verfolgt wird, geht es wohl eher darum, zu zuhören, egal ob es Wahrheit oder Fantasie ist. Es wäre ein unermesslicher erster Schritt zu zuhören und zu bleiben, und nicht aus der eigenen Angst heraus, vor dem was gesagt wird, denjenigen in seiner Angst allein zu lassen.

Meine konkrete Bitte, an alle da draußen, die ihr eventuell mit unglaublich erscheinenden Bildern und Erzählungen in Berührung kommt: Hört einfach erst einmal zu! Nehmt es ernst, aber macht kein großes Drama draus. So lernt der/die Betroffene, ich darf sprechen. Ich werde gehört und es folgt nicht gleich ein riesen Theater. Das Vertrauen, dass ich in die Person, der ich es anvertraut habe, gesetzt habe, wird nicht durch Aktionismus gebrochen.


Wenn nach ein paar Gesprächen, und die können durchaus sehr kurz und/oder sehr sachlich sein, sich das Bauchgefühl einstellt, da könnte was dran sein, bitte wendet euch an Menschen, die sich mit dem Thema auskennen. Es gibt viele Anlaufstellen!

Komische Kindegeschichten oder eben das Entstehen eines Verdachts, dass Missbrauch stattfinden könnte, macht sicher auch einem Erwachsenen Angst. Der Inhalt ist vielleicht auch so abstrakt, dass man sich davor fürchtet, etwas hinein zu interpretieren, was nicht da ist. Kindern fehlt jeglicher Begriff für das, was passiert. Es muss sich nach komischer Fantasie anhören.
Gerade in der Hektik des Alltags, ist es oft sicher einfacher, das Kinde, vielleicht mit der Bitte mit dem Unfug oder dem Quatsch auf zu hören, wieder weg und damit in die Einsamkeit zu schicken, als sich die Zeit zu nehmen dem Schrecken zu zuhören, der vielleicht auch nur ganz zaghaft oder sehr kurz, rein informativ erwähnt wird. Aber wenn der Bauch nach einigen Gesprächen sagt, das ist was komisch, dann ist es Wert dem Gefühl zu folgen, denke ich.

 

Bei alle dem, was ich an Gewalt erlebt habe, war für mich die Auswirkung der Einsamkeit, des Gefühls des vollkommene Verlassen seins, am schlimmsten und ist das, was mir auch heute noch am meisten zu schaffen macht. Nicht gehört zu werden isoliert und mit jedem Fehlversuch wird die Mauer dicker und schließlich irgendwann vollständig. Einsamkeit und emotionale Kälte kann schlimmer auf die Seele wirken als jede physische Form der Gewalt.

 

Heute weiß ich, dass die Isolation genau das ist, was letztendlich zur Spaltung führte, als letzter Ausweg aus der Unerträglichkeit.
Wenn ich gehört worden wäre, wenn es einen warmen Ausgleich für meine Seele gegeben hätte, zu der Kälte und dem ganzen Schrecken den ich erleben musste, dann hätte eine Spaltung nicht sein müssen. Dann hätten wir integrierter belieben können und die Folgen wären weniger "schlimm" geblieben.

 

Jedes gehört werden macht nichts ungeschehen, aber es erlöst!

Es ist für die Kind-Anteile in uns erleichternd, endlich gehört zu werden und endlich sprechen zu dürfen. Sie werden zunehmend aus ihrem Gefängnis der Insolation befreit und werden schließlich "erlöst" werden.

 

Ela+

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