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Über den Weg vom Entschulden zum Erklären

Im letzten Beitrag habe ich über eine traumatisierte Generation geschrieben und über noch spürbare Folgen.

 

Wie komme ich zu solchen Themen und Schlüssen?

 

Ich bin ein Kind aus Generation 1 nach dem Krieg. Ich bin in einer Familie groß geworden, wo drei traumatisierte Menschen zusammenkamen, generationsübergreifend.

 

Meine Großmutter, 1912 geboren, war Zeit-Zeugin zweier Kriege, als Kind und als frischvermählte Frau.


Mein Vater ist 1943 noch im Krieg geboren und ich möchte gar nicht wissen, was er alles erlebt hat in seinen ersten prägenden Lebensjahren. Soviel: Er ist in bitterer Armut aufgewachsen, bei einem Vater, dem es wichtiger war als Künstler anerkannt zu werden, als die Familie mit dem nötigsten zu versorgen. Der seien Halt, die Mutter, mit 9, den Vater mit 11 Jahren verloren hat und dessen älterer Bruder in nicht unterstützte, sondern zeitlebens gemobbt hat, bis ins Erwachsenenalter.


Meine Mutter, 1948 nach dem Krieg geboren, ist mit einer Mutter aufgewachsen, die in einer Beziehung gefangen war, mit einem Mann, der nicht so war wie vor dem Krieg. Die Köln als Trümmerfrau mit eigenen Händen aufgebaut hat, die über lange Jahre selbstverantwortlich sein musste, um dann wieder in eine völlig andere Frauenrolle gedrängt zu werden. Als gesellschaftlich unmündig und in Abhängigkeit. Balsam war eine für die Zeit späte Schwangerschaft, herausgeschoben durch die Kriegsjahre. Dieses Kind, so hatten ihr alle Versichert, wird ein Sohn. Ausgerechnet auf ihren Geburtstag. Ein Geschenk des Schicksals und eine Wiedergutmachung. Dieser Sohn sollte Ersatz für den gefallenen Bruder, der Kitt für die Beziehung, die Füllung der Leere und Befreiung aus dem Frustes sein. Was für eine Bürde für ein Kind!
Das meine Mutter einen Tag früher als Mädchen geboren wurde…unverzeihlich! Das Ergebnis: Meine Großmutter war nicht in der Lage ihre Tochter, um ihrer selbst willen zu lieben. Zu enttäuscht war sie, allein davon, dass ihr Wunschbild und die Wiedergutmachung nicht in Erfüllung gegangen ist.

 

Ich glaube nicht, dass gerade diese drei Menschen außergewöhnliche Lebensgeschichten hatte, sondern ich denke, dass viele Lebensgeschichten aus der Zeit so oder ähnlich klingen könnten. Was aus meiner Sicht aber immer eine ganz eigene seltsame Dynamik fördert ist, wenn traumatisierte Menschen in Beziehungen zusammenleben, die sich ihrer Traumatisierung vielleicht auch gar nicht bewusst sind. Vielleicht auch, weil es in der Zeit ganz normale Lebensgeschichten waren.


Im inneren der Familie in der ich groß geworden bin, gab es eine Dynamik aus sehr vielen Verstrickungen, die ich in ihrem Ausmaß nur in einem Buch wiedergeben könnte und die sich generationsübergreifend reinszeniert haben, da sie nicht aufgelöst waren.

Was ich sagen will: Alles was ich schreibe, ich eine Mischung aus eignem Erleben und einer abstrakten analytischen Ebene, die unserem Lebenssystem innewohnt.

 

Warum erwähne ich das alles?

 

Ich habe es gebraucht, diese Suche und die Analyse. Für mich. Die anfängliche Motivation war der Versuch zu entschulden. Teile von mir wollte immer und immer wieder sagen: Ich liebe meine Eltern, sie konnten nichts dafür. Innerer Täterschutz, oder auch Täterloyalität. Viele kennt dieses Phänomen als Stockholsyndrom.

 

Es hat mich sehr viel Zeit gekostet, den Schritt von der Entschuldung zur Erklärung zu gehen. Ich verstehe die Dynamik aus Macht/Ohnmacht aus Leere, Verlust und Enttäuschung und ihre Folgen. Aber sie entschuldet nicht für das, was passiert ist, in oder durch diese Dynamik!

Den Kind-Anteilen in mir war es fast unerträglich, diese Bindung an die Menschen, die für das Überleben der ersten Jahre unentbehrlich sind und daher immer geschützt werden, los zu lassen. Es war ein lange Weg innerer Kommunikation, Erklärungs- und Überzeugungsarbeit.

 

Die zentrale Erkentniss: Egal welche Geschichte jeder einzelne von uns hat, welches Päckchen er trägt, unser Handeln ist oft unbewusst davon gefärbt. Aber, jeder ist jederzeit für sein Handeln im hier und jetzt verantwortlich!

Meine Eltern sind es, ich bin es auch!

Und auch deswegen war das Verstehen sehr wichtig.

 

Ich wurde einmal gefragt, ob ich glaube eine Lebensaufgabe zu haben: Meine Antwort war Ja. Ich denke ich habe die Aufgabe die Spirale der Reinszenierungen unserer Familie zu durchbrechen und nicht an die nächste Generation weiter zu geben.

 

Es kostet Kraft und Mut, sich mit all dem auseinander zu setzten aber es lohnt sich!

 

Ela+

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