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Rückblick: Meine Stunde Null - nichts geht mehr

Ich kann mir gut vorstellen, dass es in jedem Leben diesen Moment gibt, wo Würfel neu geworfen werden. Weichenstellende Entscheidungen getroffen werden. Mein Leben, das kann ich zumindest heute sagen, hatte wenigstens einen solchen entscheidenden Moment, der über den Fortbestand und die Qualität meines weiteren Lebens entscheiden hat

 

Bevor ich jetzt über letzte Zeit und von der Zeit aus und in der Klink 2018 schreibe, will ich euch in die Vergangenheit ins Jahr 2006 mit nehmen, an genau so einen Moment. Meine Stunde Null.

 

In meiner persönlichen Stunde Null war alles gefährdet, was ich mir mühsam aufgebaut habe. Ich war zu diesem Zeitpunkt mehr als gut durch die Schule gekommen und hatte ein sehr gutes Abitur gemacht, gefolgt von einem guten Studium und von fünf erfolgreichen Berufsjahren, die Hoffnung auf eine „Karriere“ zuließen. Ich hatte seit sieben Jahren geschafft einen tollen Mann an meine Seite zu binden, der auch noch bereit gewesen war mich zu heiraten. Von außen gesehen ein wunderbares Leben.

 

Aber nur von außen.

 

Im inneren war ich im absoluten Chaos. Ich musste mich jeden Morgen davon überzeugen, dass ich den nächsten Tag überleben werde, dass ich auf die Straße gehen kann, dass ich mit Leuten reden kann. Dass ich nicht an meine Angst sterben werde, wenn ich das Haus verlasse. Jedes überwinden, jedes weitermachen entzog mir Energie. Phasenweise hätte ich nur im Bett liegen können, wo nur noch die Kraft dazu da war wenigstens weiter zu atmen.

Es war allein mein Pflichtgefühl anderen gegenüber und mein Dickkopf und der Wille auf keinen Fall die Umwelt sehen zu lassen, dass ich mich in ein kleines, schlechtes und schwaches Etwas verwandet hatte. Einen dysfuntionaler Blob, der noch nicht mal weiß, warum er einer ist, aber so tut als sei er ein erfolgreicher Mensch mitten im Leben.


Das war es, das mich jeden Morgen die Energie hat finden lassen auf zu stehen und den Kampf, um den nächsten Tag auf zu nehmen. Jeden Tag aufs Neue. Überleben ohne wissen wofür. Immer habe ich mir gesagt, wenn ich den Job bekommen, dann wird alles gut. Wenn ist erst Kinder habe, dann wird alles gut. Aber egal was ich machte, erreichte, es wurde nicht besser. Eher schlechter.

Mein Körper war schon lange weg. Er existierte einfach nicht mehr. Nichts war fühlbar. Keine Schmerzen, keine Emotionen. Einfach nur Leere. Ich war nur noch Kopf, Verstand, Ratio, die einfach weitermachte und den Körper mitschleifte.
Es war mein Verstand, der mich davon abgehalten hat den Tag mit Alkohol zu beginnen oder nicht sofort zum Alkohol zu greifen um „runter“ zu kommen vom Stress da draußen überlebt zu haben, sobald die Türe ins Schloss gefallen war und ich mit mir meiner Angst, meinen wirren Gedanken, Stimmen und Bildern wieder alleine war.

Und es war mein Glaube, der mich einfach nicht loslassen wollte, so sehr ich es auch versuchten, der mich daran hinderte mein Leben zu beenden.
Und der Gedanke, dass es schief gehen könnte. Dann wäre meine Dysfunktionalität unkontrolliert sichtbar. Ich hatte am meisten Angst davor, dass ich antworten muss auf die Frage "Warum?". Ich wusste es ja selbst nicht Warum....

Ich wurde verrückt und wusste nicht warum!

 

Für die Arbeit, für Freizeitaktivitäten gab es ein alter Ego, um gut zu sein, erfolgreich, lustig, eine starke, selbstbewusste Frohnatur. Um Small Talk halten zu können. In der Außenwelt normal zu sein, Spaß zu haben. Und das war das komische. Hatte ich (ich? irgend jemand) mich aufgerafft, hatte ich Spaß, konnte ich Leistung bringen, was eben gerade von mit gefordert war. Nur konnte ich mich an ganze Passagen aus diesem Leben nicht erinnern, wenn die Tür ins Schloss viel. Sie waren einfach ausgelöscht. Jemand anderes hat diesen Teil meines Lebens gelebt. Ich habe keine Ahnung, wer eigentlich studiert hat. Ich der dysfunktionale Blob, war es nicht!

 

Das schlimmste war, es gab Dinge, die ich anscheindend getan hatte, die absolut nicht in meinem nomalen Verhalten lag. Manchmal musste ich regelrecht aufräumen hinterher. Von den Eltern schon als chronischer Lügner bezeichnet, war ich im Ausreden finden immer gut. (War das damals mit den Eltern auch schon so? Waren da auch schon mehrer unterwegs. Indizien dafür gibt es einige - aber das an andere Stelle mal.)

Ich wusste irgendwas war nicht o.k., aber ich hatte eben nicht wirklich eine Ahnung was. Als der Tag kam, wo ich anfing grundlos bei jeder Kleinigkeit zu weinen oder aber aggressiv zu werden und ich mich und meine Handlungen nicht mehr unter Kontrolle zu haben glaubte (weil zum Teil einfach nicht in der Erinnerung), war klar, ich muss irgendwas tun. Aber eigentlich war ich schon nicht mehr handlungsfähig. Zumal ich seit Jahren keine Arztpraxis betreten hatte und noch nicht mal einen Hausarzt hatte. Da mir sogar die Kraft fehlte einen solchen ausfindig zu machen, nahm ich das Angebot an, den Arzt meiner Eltern aufzusuchen.

 

Ich kann mich bis heute kaum noch an das Gespräch erinnern. Aber ich bin dankbar, dass ich in dem Moment genau die Person getroffen habe, die es gebraucht hat, den Ernst der Lage zu erkennen und zu benennen, dass meine Probleme nicht körperlicher Natur ist. Eine Aussage ist bis heute ganz laut und deutlich in meinem Kopf: „Sie haben die Wahl. Wenn sie leben wollen, dann suchen sie sich Hilfe. Wenn sie es nicht tun, werden sie das nächste Jahr eher nicht überleben.“
Ich weiß auch noch, dass ich gesagt habe, ich weiß einfach nicht warum es mir so geht. Mein Leben ist doch gut. Ich muss herausfinden warum. Oder werde ich einfach verrückt?

 

Ich ging mit einer Adresse ausgestattet aus der Praxis, die genau das versprach, was ich brauchte. Ein geschützter Ort, wo ich nicht mit dem Verstand erklären musste, was ich einfach nicht wusste, sondern wo direkt mit meinem Unterbewusstsein gearbeitet werden würde. Das Zauberwort hieß Hypnose. Und da dieser Arzt sagte, dass dies der Ort wäre, den er für sich wählen würde, machte es mir Hoffnung, nicht in einer echten „Klapse“ zu laden zwischen „Psychos“.

 

Ela+