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Wo bitte geht es zu den U-Booten?

Ich denke jeder Text, jeder Artikel, jedes Buch, das Thema Trauma und Traumafolgestörung berührt, muss erst einmal mit einer Definition anfangen. Ich könnte hier diverse Bücher oder wissenschaftliche Artikel zitieren, aber ich möchte hier wenig Wissenschaft wiedergeben, sondern meine Gedanken und Empfindungen. Daher meine eigene Formulierung wie folgt:

 

Ein psychologisches Trauma, ist eine seelische, emotionale Verletzung, die so schwerwiegend ist, dass sie in dem Moment, wo sie zugefügt wird, nicht verarbeitet werden kann, sondern als emotional schmerzende Wunde so lange bestehen bleibt, bis man so weit gereift ist, oder Mittel und Wege gefunden hat, diese Wunde zu versorgen, sodass sie soweit heilen kann, dass nicht mehr mehr, als eine weniger schmerzende Narbe bleibt.

 

Ich denke jeder empfindet etwas anderes als so verletzend, dass eine offene Wunde bleibt. Umso gereifter ein Individuum ist, denke ich, umso eher ist es in der Lage eine Verletzten auch unbeschadet zu überstehen. Heißt, etwas was einem Kind zugefügt wird, ist für einen Erwachsenen vielleicht schmerzhaft, aber nicht unbedingt traumatisch. Andersherum: Darüber wo ein Erwachsener vielleicht hinweg gehen kann, kann für einen Säugling eine existenzielle Bedrohung sein.

 

Zwischen dem Zeitpunkt, an dem eine traumatische Verletzung zugefügt wird und dem Zeitpunkt an dem sie verarbeitet werden kann, können Jahre oder gar Jahrzehnte liegen. Manche solcher Verletzungen bleiben immer im Bewussten, andere müssen um das Überleben der Verletzung bzw. in der verletzenden Situation zu sichern, ins Unbewusste verlagert werden. Solche im unbewussten bewahrten Traumata, werde immer wieder versuchen ins Bewusstsein zu drängen, vor allem dann, wenn eine Reife und Sicherheit in der persönlichen Entwicklung erreicht ist, die eine Verarbeitung ermöglicht. Dennoch braucht es dann auch eine Bereitschaft zur Verarbeitung, damit die Botschaft gehört werden kann und Verarbeitung auch geschieht.

 

Für alle Freunde von bildlicher Sprache: Wir sind auf einem Dampfer "Leben" als Kapitän und ich benenne diese ins Unbewusstsein verbannte Traumata einfach mal U-Boote.

 

Nur weil irgendwann eine U-Boot von meinem Sonar, das ins Innere, in das Meer auf dem wir fahren, horcht oder gar durch die Wasseroberfläche bricht, also im bewussten, sichtbaren Feld auftaucht, heißt es nicht, dass man sich damit auch beschäftigt. Entweder, weil man es ignoriert, oder gar nicht erkennt, oder aber weil man es gar aktiv wieder versenkt. Aber jedes U-Boot wird immer und immer wieder auftauchen!

 

Was ist nun eine Traumafolgestörung in diesem Bild? Für mich ist es der Zustand in dem man sich befindet, wenn eines dieser U-Boote auftaucht. Bevor sie auftauchen, gibt es vielleicht eine „unbeschwerte“ Latenzzeit, wo wir vergnüglich über den Ozean des Lebens schippern. Diese Zeit gibt dem Kapitän die Möglichkeit sich zurecht zu finden, ermöglicht so weit als Schiffskomandant zu reifen um im Idealfall so stark zu werden, um mit den Gefahren des Ozeans und möglichen U-Booten fertig werden zu können. Aber wenn ein oder mehrere U-Boote auftauchen, dann ist das unbeschwerte Leben, als Kapitän, vorbei!

 

Da es in der Natur der Sache liegt, dass Trauma U-boote harmlose Dinge sind, ist es eben nicht so einfach zu sagen: "Ah, guck mal da ist ein U-Boot aus meinem unbewussten Selbst aufgetaucht, lass mal gucken, was da so drin ist." Es gab ja einen guten Grund, dass U-Boote zu U-Booten geworden sind. Wer beschäftigt sich schon gerne mit inneren „Feinden“. Denn die U-Boote kommen leider auch nicht mit weißer Flagge, sondern eher mit gezücktem Waffenarsenal und lauter Stimme und versuchen von der ersten Sekunde an auf jeden Fall zu verhindern, dass sie wieder versenkt werden. Zumindest empfinde ich sie so. Oder aber sie kamen am Anfang vielleicht nett, bunt und lustig auf meinen Sonarschirm und ich als Kapitän habe sie einfach immer wieder übersehen oder, ohne es zu wissen, versenkt und deswegen tauchten sie irgendwann so massiv auf? Für die, die gerne eine Übersetzungsversuch haben wollen: In der Fachsprache wird das Waffenarsenal und die Kommunikationsform der U-Boote Intrusionen genannt. In dem Moment wo man anfängt sich mit den U-Booten entweder im Krieg oder im Sinne der Friedensstiftung beschäftigen zu müssen, hat man unweigerlich eine Störung im Sinne der Folgen eines Traumas am Hals. Das Ausmaß ist ganz individuell und hängt von sehr vielen Faktoren ab. U.a. vom U-Boot Typ, vom Zeitpunkt an dem das U-Boot entstanden ist und von der Art wie es entstanden ist. Jeder Kapitän hat sein eigenes, individuelles Schlachtfeld vor sich. (Schlagworte für Fachsprachgewandte Leser: akute Belastungsreaktion, PTBS, kPTBS, strukturelle Dissoziation, DIS)

 

Das Schöne an dem Bild ist, dass von Anfang an klar ist, dass es eine Lösung gibt. Man muss nicht zwangsläufig immer im Kriegszustand bleiben. Man kann auch mit jedem einzelnen U-Boot lernen zu leben, zu kommunizieren, sogar Frieden stiften, und damit auch langfristig (weitestgehend) ohne Folgen leben. Vielleicht werde die U-Boote sogar hilfreiche Begleitboote. Es gibt also Hoffnung! Ich will nicht sagen, dass es leicht ist, aber es geht! Und meine Erfahrung ist, sobald man sein eigenes ablehnendes, respektive verteidigendes Waffenarsenal wegpackt und sagt: "O.k., da ist also ein U-Boot. Was will es und wir kann ich mit ihm umgehen?", wird es schon so viel besser! Es gibt keinen Grund mehr, für heftige Bedrohung. Der erste Schritt ist erfolgt. Erstkontakt.

 

Nicht jedes meiner U-Boote ist gleich. Es gibt sehr viele unterschiedliche Typen für mich. Es gibt die, die langsam gewachsen sind. Sie sind eher träge und vielleicht verletzen sie nicht so offensichtlich, mit ihren Waffen, aber sie haben die Fähigkeit das eigene Denken, das des Kapitäns zu beeinflussen und verzerren seine eigene Wahrnehmung auf sich selber und auch auf die Umwelt. Sie sind schwerer wahr zu nehmen, auch wenn sie groß sind. Viel offensichtlicher wahr zu nehmen sind die kleinen schnellen U-Boote. Sie kommen plötzlich ins Bewusstsein und kommen eher vollgeladen mit Bildern und Emotionen und habe die Fähigkeit einen in eine Zeitkapsel zu schließen und wieder dahin zu schicken, wo das Trauma U-Boot entstanden ist. (Fachwort: Flashback) Sie fügen kurz und heftig sehr schmerzhafte Schläge im Kampf zu.

 

In meinem Fall, denke ich, sind die trägen großen U-Boote die Beziehungstrauma, die kleinen die Schock-Trauma. Die Kapitäne meiner großen U-Boote sind Täter-Anteile oder Täter loyale Anteile, die mir immer und immer wieder in die Ohren träufeln, dass ich schlecht bin, unfähig, selbst Schuld bin und dass ich nichts Wert bin. Dass ich Dreck bin, undankbar, größenwahnsinnig....

 

Ich glaube die kleinen U-Boote sind eher unbemannt und haben ein Eigenleben. Vielleicht sind sie eher Opfer-Anteil gesteuert und erinnern immer dann an das was geschehen ist, wenn sie sich nicht genug beachte fühlen, wenn sich der Kapitän, willentlich oder nicht willentlich, sich von ihnen abwendet. Dann werden sie gefährlich. Also immer alles im Blick behalten, wenn es irgendwie geht!

 

Ach ja, eins noch: Als Kaptain steht man am Steuer und ist für die Navigation und die Entscheidungen verantwortlich. Aber man darf sich helfen lassen. Eine erfahrenen Ersten Offizier (Therapeut/in) und eine Mannschaft und Berater im Hintergrund (soziale Netzwerke, Freunde/innen, Partner/in) machen einem den Kampf viel einfacher!

 

Leider gibt es eine Menge an U-Booten in meinem Leben, auch wenn ich mal in einem Moment der Überforderung gegenüber meinem Ersten Offizier mal gesagt habe, eins hätte wirklich gereicht. In verschiedenen Texten werden vielleicht das ein oder andere meine U-Boot vorgestellt und es wird erzählt, wie ich den Kampf aufgenommen habe und nach und nach auch meinen Frieden geschlossen habe mit meinen U-Booten. Immer aber mit jedem Wort und mit jeder Zeile die ich schreibe, hoffe ich vermitteln zu können, dass es geht, das es sich lohnt zu kämpfen.

 

Und mit solchen Bildern und Texten, wie hier gerade benutzt, möchte ich vermitteln, dass eine gute Portion Humor und einfache Bilder viel bewirken können, auf dem Weg heil zu wachsen.

 

Ela+

 

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